8 Rechte bei Flugverspätung:
Überblick zu Flugentschädigung, Ticketerstattung etc.
Welche Rechte hat man als Reisender eigentlich bei einer Flugverspätung? Besteht nur Anspruch auf die weithin bekannte Pauschalentschädigung von bis zu 600 €? Oder auch ein Fluggastrecht auf weitere Leistungen? Und wie erheblich muss die Verzögerung ausfallen, damit die Betroffenen ihre Fluggastrechte geltend machen können?
Der Beitrag verschafft Fluggästen in wenigen Minuten einen Gesamtüberblick über ihre Rechte bei Flugverspätung. Dazu gliedert sich der Artikel in folgende Abschnitte:
- Darstellung der einzelnen Fluggastrechte, die Reisenden zustehen können.
- Darstellung der Voraussetzungen, damit Fluggäste solche Ansprüche erlangen.
- Veranschaulichung der Rechte an einem Beispiel.
Daneben enthält der Beitrag zahlreiche praktische Hinweise und Empfehlungen, wie die Durchsetzung der verschiedenen Ansprüche bestmöglich gelingt. Darüber hinaus erläutert ein separater Artikel Wege zur Durchsetzung des Anspruchs auf Flugentschädigung bis 600€.
Ausführliche Erklärung
Fluggastrechte einzeln erläutert
Nachstehend listen wir die wichtigsten Rechte, die einem Passagier bei Flugverspätung zustehen können. Denkbar sind Ansprüche auf
- eine pauschale Flugentschädigung von bis zu 600 € pro Fluggast (Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO)
- 250 € auf Kurzstreckenflügen bis 1.500km
- 400 € auf Mittelstreckenflügen bis 3.500 km und Langstreckenflügen innerhalb der EU
- 300 € auf sonstigen Langstreckenflügen mit 3-4 Stunden Verspätung
- 600 € auf sonstigen Langstreckenflügen mit über 4 Stunden Verspätung
- Verpflegung während der Dauer der Verzögerung (Art. 9 Abs. 1 lit. a FluggastrechteVO)
- kostenlose Kommunikationsmöglichkeiten (z.B. Telefonate) (Art. 9 Abs. 2 FluggastrechteVO)
- eine (ggf. erforderliche) Unterbringung im Hotel inklusive Flughafentransfer bis zur Durchführung des Fluges (Art. 9 Abs. 1 lit. b, c FluggastrechteVO)
- eine Ticketerstattung bzw. Erstattung des Ticketpreises (Art. 8 Abs. 1 FluggastrechteVO)
- anteilige Rückerstattung des Preises einer Pauschalreise (§ 651m Abs. 1 BGB)
- Schadensersatz für verlorenes oder verspätetes Gepäck von bis zu 1.131 SZR bzw. ~1.300 € (§ 280 Abs. 1 BGB / § 19 MÜ)
- Schadensersatz für entgangenen Gewinn von bis zu 4.694 SZR bzw. ~5.600 € (§ 280 Abs. 1 BGB / § 19 MÜ)
Mithilfe des folgenden Entschädigungsrechners lässt sich kostenlos prüfen, ob eine bestimmte Flugverspätung wesentliche Voraussetzungen für das Recht auf Flugentschädigung erfüllt. Das Formular vermittelt auch eine erste Einschätzung dazu, ob weitergehende Forderungen wegen Flugverspätung geltend gemacht werden können. Von welchen zusätzlichen Anforderungen die unter 2. bis 8. genannten Ansprüche abhängen, wird im Laufe des Artikels näher besprochen.
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Rechtsvoraussetzungen für die Rechte bei Flugverspätung
Inwiefern die vorbezeichneten Rechte bei Flugverspätung bestehen, verdeutlicht bereits die folgende Grafik mit ihrem Entscheidungsbaum. Im Anschluss beleuchtet der vorliegende Abschnitt im Detail die einzelnen Rechtsvoraussetzungen der verschiedenen Ansprüche. Hilfreich für einen ersten Überblick ist dabei das Diagramm im ersten Unterabschnitt: Es zeigt kompakt, wann Fluggästen voraussichtlich eine Entschädigungspauschale zusteht und wann nicht.
Nachstehend haben wir noch einmal tabellarisch dargestellt, welche Rechte bei Flugverspätung welche Voraussetzungen haben. Freilich handelt es sich dabei nur um die wichtigsten Kriterien, von denen die einzelnen Ansprüche abhängen. Es zeigt sich, dass die meisten Rechte bei Flugverspätung hauptsächlich von
- der Anwendbarkeit der FluggastrechteVO,
- dem Ausmaß der Verzögerung und
- der Art ihrer Ursache
abhängen. Sind hier die jeweiligen Mindestanforderungen erfüllt, besteht mit großer Wahrscheinlichkeit der jeweilige Anspruch.
Zu beachten ist bei der obigen Grafik und der Tabelle natürlich, dass sie sich zur besseren Übersicht nur auf die wichtigsten Voraussetzungen konzentrieren. Da dies die rechtliche Bewertung stark vereinfacht, können sich in Einzelfällen Abweichungen ergeben.
So lassen sich beispielsweise sehr alte Forderungen nicht mehr geltend machen, wenn die Frist der Verjährung für die jeweilige Entschädigung der Flugverspätung bereits abgelaufen ist (§ 214 Abs. 1 BGB). Da die meisten Fluggastrechte der Regelverjährung des § 195 BGB unterliegen, ist der jeweilige Anspruch in Deutschland nach Ablauf des dritten Jahres nach dem Problemflug nicht mehr durchsetzbar. Verfolgt man einen Anspruch am Start- oder Zielflughafen einer Reise in anderen EU-Staaten, ist übrigens häufig eine abweichende Verjährungsfrist maßgeblich, die sich aus der Rechtsordnung des jeweiligen Landes ergibt. In Italien hindert die gesetzliche Verjährungsfrist die Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen bereits zwei Jahre nach dem Flug (Art. 1667 Italian Civil Code); in Frankreich beträgt sie dagegen fünf Jahre (Art. 2224 Code civil).
Für eine präzisere Einschätzung zu den verschiedenen Anspruchspositionen lohnt sich daher ein Blick auf die nachfolgende ausführlichere Darstellung der einzelnen Rechte bei Flugverspätung:
Das bekannteste und begehrteste Passagierrecht der FluggastrechteVO ist wohl das auf eine pauschale Ausgleichsleistung von 250 bis 600 €. Lukrativ ist dieser Anspruch für Fluggäste vor allem deswegen, weil er nicht voraussetzt, dass ein Passagier tatsächlich einen bezifferbaren Schaden erleidet. Das erleichtert einerseits die Beweisführung und senkt andererseits die Anforderungen des Anspruchs auf Flugentschädigung erheblich.
Ursprünglich hatte die Fluggastrechte-Verordnung ihre Entschädigungspauschale zwar nur bei Flugausfällen und Nichtbeförderung vorgesehen. Rechtsgrundlage hierfür bilden deren Artikel 5 und 7. Mit der Sturgeon-Entscheidung von 2009 übertrug der Europäische Gerichtshof die Ausgleichspflicht jedoch auch auf über dreistündige Flugverspätungen. Eine Kompensation für entstandene Unannehmlichkeiten müssen Airlines seither bereits bei erheblichen Verzögerungen leisten.
Maßgeblich ist dabei die Verspätung am Endziel. Zur Entschädigung berechtigt sind Flugreisende mithin grundsätzlich auch dann, wenn ein Umsteigeflughafen zwar noch mit geringerer Verzögerung erreicht wird, aber das Verpassen des Anschlussfluges die Gesamtverspätung auf über drei Stunden erhöht. Ebenso erlangen Flugreisende einen Ausgleichsanspruch, wenn die um über drei Stunden verzögerte Ankunft am Endziel daraus resultiert, dass ein Flug auf einer späteren Teilstrecke ausfällt oder sich verspätet. Dies hat unlängst der Europäische Gerichtshof mit seinem Urteil vom 11.07.2019 klargestellt (Az. C-502/18).
Die folgende Grafik gibt einen groben Überblick, wann genau Passagiere bei Flugverspätung zu einer Ausgleichszahlung von bis zu 600 € berechtigt sind.
Daneben liefert unser Entschädigungsrechner eine Ersteinschätzung dazu, wann für eine konkrete Flugverspätung Aussicht auf eine Ausgleichszahlung besteht. Ob und in welcher Höhe im Einzelfall ein Entschädigungsanspruch in Frage kommt, ermittelt unser System kostenlos und unverbindlich.
Eine ausführlichere Darstellung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Flugentschädigung findet sich außerdem in unserer Gesamtübersicht zum Anspruch auf Flugentschädigung. Der entsprechende Beitrag erörtert unter anderem detailliert, wann Flugausfälle bei Defekten des Flugzeugs oder Epidemien wie dem Corona-Virus gerechtfertigt sind und wann Anspruch auf eine Ausgleichszahlung besteht.
Der zusätzliche Artikel bespricht zudem, wie sich eine Entschädigung wegen Flugverspätung gegen verschiedene Airlines wie Eurowings und Ryanair durchsetzen lässt.
Je nach außergerichtlicher Zahlungsbereitschaft empfiehlt sich hier entweder die eigenständige Verfolgung oder die Beauftragung eines Dienstleisters. Einen aktuellen Überblick über die freiwillige Bereitschaft der einzelnen Airlines zur Entschädigung von Flugverspätungen findet man beispielsweise unter dem Link bei Ersatz-Pilot.
Zu bedenken ist bei alledem, dass hier nur die Voraussetzungen einer Flugentschädigung nach der europäischen Fluggastrechte-Verordnung thematisiert werden. Diese findet nur bei Vorfällen auf Flügen mit hinreichendem EU-Bezug Anwendung. Das sind solche, die entweder in der EU starten oder die erstens dort landen und zweitens von einer Fluggesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedsstaat ausgeführt werden (Art. 3 FluggastrechteVO).
Eine ähnliche Regelung gilt ansonsten lediglich in Großbritannien: Hier überführte Section 3 des European Union (Withdrawal) Act 2018 mit Wirkung zum 30.12.2020 zuvor erlassene europäische Verordnungen wie die FluggastrechteVO eins zu eins in britisches Recht. Bis auf Weiteres (Stand: 12.07.2024) sind Reisende auf Flügen aus und nach Großbritannien also so geschützt, als sei das Land noch ein Mitglied der EU, obwohl es die Staatengemeinschaft durch den Brexit verlassen hat.
Die außereuropäische Gesetzeslage kennt unseres Wissens nach kaum vergleichbare Rechte bei Flugverspätung. Den europäischen Schutzstandard erreichen allenfalls in Teilen noch die Fluggastrechte in Kanada, die wir unter vorstehendem Link thematisieren. Die US-Rechtsordnung dagegen normiert als Rechte bei Flugverspätung nur Ansprüche auf Verpflegung und Entschädigung für etwaig verlorenes Gepäck (mehr dazu hier). Zwar gesteht im Übrigen auch noch die indische Rechtsordnung Flugreisenden eine gewisse geldwerte Kompensation zu, wenn sie eine Verzögerung erleiden. Diese bleibt aber in der Höhe weit hinter dem EU-Standard zurück und erfordert zudem eine noch drastischere Flugverspätung (mehr dazu hier).
Ein ähnliches Schutzniveau wie in der EU erhalten Fluggäste bei Flügen ohne Start oder Landung in der EU ansonsten lediglich dort, wo die Buchungskonditionen ihrer Airline oder eine etwaige Reiseversicherung hierzu Vorkehrungen treffen.
Um Fluggästen bei entstandenen Unannehmlichkeiten abzuhelfen, genügt es für die ausführende Fluggesellschaft jedoch nicht, bloß eine Ausgleichszahlung zu leisten. Hinzu kommen mehrere Sachleistungen, hinsichtlich derer ebenfalls Rechte bei Flugverspätung bestehen – und zwar unabhängig von deren Ursache (Steinrötter, in: Beck-OGK, Stand: 01.03.2019, Art. 9 FluggastrechteVO, Rn. 5 m.w.N.).
Selbst höhere Gewalt entbindet die Airline nicht von der Pflicht, während Flugverspätungen im Mindesten für die erforderliche Versorgung und gegebenenfalls Unterbringung der Reisenden zu sorgen.
Verzögert sich die Reise infolge einer Flugunregelmäßigkeit gegenüber der planmäßigen Ankunft um über zwei Stunden, schuldet die Fluggesellschaft kostenlose Mahlzeiten und Getränke.
Gelingt die Beförderung zum Endziel erst am Folgetag des geplanten Ankunftsdatums, trifft die Airline darüber hinaus die Pflicht, den betroffenen Fluggästen die erforderliche Hotelübernachtung zu bezahlen. Das gleiche gilt für die Kosten der Transfers zwischen Hotel und Flughafen. So ordnet es Artikel 9 Absatz 1 der Fluggastrechte-Verordnung an.
Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die Fluggesellschaft zunächst dazu verpflichtet wird, die Sachleistungen selbst zu erbringen. Sie muss prinzipiell keine Leistungen Dritter bezahlen, die Reisende nicht abgesprochen wahrnehmen.
Für Fluggäste bedeutet das, dass sie ihre Ansprüche zunächst gegenüber der Airline geltend machen müssen. Erst wenn diese eine Leistung verweigert, dürfen sie sich selbst Verpflegung kaufen, ein Hotelzimmer buchen und die Kosten hierfür der Airline in Rechnung stellen (Steinrötter, in: Beck-OGK, Stand: 01.03.2019, Art. 9 FluggastrechteVO, Rn. 3, 31).
Damit dies praktisch gelingt, ist es unerlässlich, die Quittungen aufzuheben. Andernfalls lassen sich erforderliche Einkäufe nämlich kaum nachträglich nachweisen. Ohne Belege aber wird eine Fluggesellschaft ihre Zahlungspflicht aller Wahrscheinlichkeit nach ablehnen. Auch vor Gericht und bei einer Inanspruchnahme eines Fluggastportals sind Nachweise von Nöten.
Bei Flugausfällen und Nichtbeförderung bleibt die Airline dazu verpflichtet, die gebuchten Passagiere zu befördern. Selbst wenn dies nicht pünktlich gelingt, muss die Fluggesellschaft in jedem Fall den Transfer nachholen. Dazu verpflichtet Artikel 8 Absatz 1 der Fluggastrechte-Verordnung.
Entscheidet sich der Fluggast, selbst eine Alternative zu buchen oder auf die Beförderung zu verzichten, kann er jedoch wahlweise auch die Rückerstattung des Ticketpreises verlangen.
Voraussetzung hierfür ist, dass die Verspätung auf dem ursprünglich gebuchten Flug mindestens fünf Stunden andauert oder dieser ausfällt und nicht entsprechend zeitnah eine Ersatzbeförderung bereitgestellt wird.
Nicht erforderlich ist hingegen, dass die Verzögerung auf beherrschbare Ursachen zurückgeht. Anders ausgedrückt: Selbst wenn höhere Gewalt die Verspätung bedingt, muss die Airline den Ticketpreis zurückzahlen, wenn der Fluggast auf die Beförderung verzichtet (EuGH, Urteil v. 31.1.2013, C-12/11 McDonagh/Ryanair = NJW 2013, 921; AG Rüsselsheim, Urteil v. 11.1.2011, 3 C 1698/10 = NJW-RR 2011, 560; Degott, in: Beck-OK, 10. Edition, Art. 8 FluggastrechteVO, Rn. 12).
Eine Ausnahme hiervon wird jedoch im Zuge der Ausbreitung der Corona-Pandemie diskutiert. Schließlich bewirken die ab März 2020 erlassenen Reisebeschränkungen, Reisewarnungen sowie die zeitgleichen Stornierungen durch etliche Fluggäste und der Rückgang neuer Buchungen, dass der bisherige Flugplan weitreichend ausgedünnt werden musste. In nie dagewesener Form kam es seit Anfang März 2020 in Europa daher zu massenhaften ersatzlosen Ausfällen von Flügen. Die Unbedingtheit des Anspruchs auf Ticketerstattung bewirkte angesichts dessen eine enorme finanzielle Belastung der Fluggesellschaften. Während mangels ausreichender Neubuchungen die Umsatzerlöse der Airlines einbrachen, häuften sich die geballt an die Unternehmen herangetragenen Erstattungsansprüche. In dieser Situation drängte die deutsche Bundesregierung bei der EU-Kommission darauf, die Fluggesellschaften zu entlasten. Gelingen sollte die über Auslegungshinweise oder Gesetzesänderungen zur rückwirkenden Anpassung der Rechtslage für Ticketerstattungen für Flüge ab dem 8. März 2020. Hiermit sollte erreicht werden, dass die Fluggesellschaften statt einer Erstattung in Geld auch Gutscheine gewähren dürfen (sog. Gutscheinlösung).
Darauf rangen die EU-Gremien, Regierungen und Interessenverbände im April 2020 intensiv um den Umgang mit der Initiative der Bundesregierung. Verbraucherschützer lehnten die Beschränkung der Fluggastrechte erwartungsgemäß ab, während nationale Regierungen hingegen eher die Interessen der Luftfahrtunternehmen vertraten. Aus Brüssel vernahm man demgegenüber zunächst gemischte Reaktionen auf die Anregung hin, durch Auslegungshinweise und ggf. eine Änderung des Artikel 8 der Fluggastrechte-Verordnung Gutscheine als Ersatz für Barerstattungen von Ticketpreisen anzuerkennen.
Letztlich bekräftigte die EU-Kommission allerdings, dass sie eine Änderung der Rechtslage trotz der Corona-Krise ablehnt. Infolgedessen ist davon auszugehen, dass Fluggäste rechtmäßig eine Barzahlung zur Erstattung ihrer Ticketpreise einfordern können. Da die Fluggesellschaften eine freiwillige Auszahlung bisweilen verweigern, kann hierbei beispielsweise der Service von Flightright oder FairPlane genutzt werden. Sie übernehmen die Durchsetzung gegen eine reine Erfolgsgebühr, sodass Nutzern der Dienste kein Kostenrisiko bei der Ticketerstattung entsteht.
Zu bedenken ist allerdings, dass die meisten Fluggesellschaften alternativ auf freiwilliger Basis zumindest Gutscheine mit Laufzeiten bis Ende 2022 oder darüber hinaus anbieten. Wer in absehbarer Zeit wieder einmal fliegen möchte, sollte diese Variante in Betracht ziehen, weil sich so die Erfolgsprovision von Flightright oder FairPlane einsparen lässt.
Im Übrigen war zeitweise zu vernehmen, dass die Bundesregierung plante, einen Fonds aufzulegen, der anstelle der (deutschen) Fluggesellschaften Ticketpreise in Bar erstatten soll. Wäre diese Lösung zustande gekommen, hätte sich betroffenen Flugreisenden demnächst eine komfortable Variante geboten, ihre Ticketpreise ungekürzt zurückzuerhalten. Schließlich wäre davon auszugehen gewesen, dass der Erstattungsfonds Rückzahlungen rasch mobilisiert. Letztlich wurde dieser Ansatz im weiteren Verlauf von 2020 aber nicht weiterverfolgt.
Daher behält die Durchsetzung mithilfe von Flightright oder FairPlane ihre Berechtigung, wo Fluggesellschaften die Rückerstattung übermäßig verzögern. Die Provision lässt sich jedoch einsparen, wo eine Fluggesellschaft den Ticketpreis freiwillig erstattet. Aufgrund regulatorischen Drucks ist dies inzwischen bei etlichen europäischen Airlines dem Vernehmen nach der Fall. Vor diesem Hintergrund erscheint es ratsam, sich erst einmal zu gedulden, ehe man ein Fluggastportal gebührenpflichtig für eine Durchsetzung beauftragt, an deren Stelle womöglich bald dank des angedachten Erstattungsfonds eine komfortablere Alternative bereitsteht.
Kostenlose Online-Formulare zur Überprüfung der Ansprüche auf Ticketerstattung bei Flugstornierung stellen im Übrigen Ersatz-Pilot und RightNow bereit. Seit 2022 hat RightNow seinen Ticketerstattungsservice jedoch eingestellt. Für stornierte Flüge leistet RightNow inzwischen keine Erstattungen mehr (Stand: 12.07.2024). Der Dienst von Ersatz-Pilot ist dagegen weiterhin uneingeschränkt für Flüge aus und nach Deutschland verfügbar. Hierzu veröffentlichen Nutzer auch regelmäßig Erfahrungsberichte auf Trustpilot.
Die beiden genannten Fluggastportale bieten bei positiver Einschätzung an, Nutzern gegen eine Provision ihre Erstattungsansprüche abzukaufen und eine Direktzahlung zu leisten. Unsere Auswertung der Konditionen und der Kundenerfahrungen mit den Unternehmen finden Sie in unseren Testberichten zu Ersatz-Pilot und zu RightNow. Außerdem haben wir einen weiteren Artikel verfasst, der alle wesentlichen Dienstleister gegenüberstellt, die Ihr Geld zurückholen, wenn Sie Ihren Flug stornieren.
Voraussetzungen
Ist ein Flug Bestandteil einer Pauschalreise, schützen den Flugreisenden weitergehend die Ansprüche des Reiserechts aus §§ 651a ff. BGB. Von praktischer Bedeutung ist dabei vor allem das Recht, den Pauschalreisepreis bei Mängeln zu mindern bzw. sich nachträglich teilweise zurückerstatten zu lassen.
Den Anspruch hierauf normiert § 651m Abs. 1 BGB. Um zur Minderung zu berechtigen, muss eine Flugverspätung somit als „Reisemangel“ gelten. Nach ständiger Rechtsprechung ist dies immer dann zu bejahen, wenn die Verspätung vier Stunden innereuropäisch bis acht Stunden bei einem Transatlantikflug übersteigt (für innereuropäische Flüge: LG Frankfurt a. M., Urteil v. 27.1.2009, 2-24 S 177/08 = BeckRS 2009, 22915 = RRa 2009, 72; für Transatlantikflüge: OLG Düsseldorf, Urteil v. 27.2.1992, 18 U 173/91 = NJW-RR 1992, 1330).
Ab dann kann der Tagessatz des Reisepreises für jede weitere Stunde Verzögerung um 5 % gemindert werden. Kostet eine zehntägige Pauschalreise also zum Beispiel 2.500 €, entspricht dies einem Tagessatz von 250 €. Hiervon dürfen ab der sechsten Verspätungsstunde jeweils 12,50 € zurückverlangt werden, solange sich der Flug verzögert. Verschiebt sich die Ankunft sogar um über einen halben Tag, hat der Reiseveranstalter 125 € zu erstatten.
Findet der Flug erst etwa einen Tag später als geplant statt, ist sogar der volle Tagessatz zurückzuzahlen. Gleichwohl ist denkbar, dass eine entsprechende Rückforderung entfällt, wenn die Unannehmlichkeiten des Passagiers bereits durch die Entschädigungspauschale nach Art. 7 FluggastrechteVO abgegolten werden. Dies hat folgenden Grund:
Art. 12 Abs. 1 FlugastrechteVO stellt klar, dass die Ausgleichszahlung von bis zu 600 € gemäß Art. 7 FluggastrechteVO auf einen weitergehenden Schadensersatzanspruch angerechnet werden kann. Streng genommen handelt es sich bei § 651m Abs. 1 BGB stattdessen zwar um ein Minderungsrecht. Gleichwohl geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass Art. 12 Abs. 1 FluggastrechteVO auch eine Verrechnung mit solchen Ansprüchen erlaubt (siehe BGH, Urteil vom 30.9.2014, X ZR 126/13, Rn. 12 ff. = NJW 2015, 553).
Das erklärt sich vor allem daraus, dass die englische Fassung der FluggastrechteVO allgemein davon spricht, die Entschädigungspauschale sei mit jedweder anderen „compensation“ zu verrechnen (Steinrötter, in: Beck-OGK, Stand: 01.03.2019, Art. 12 FluggastrechteVO, Rn. 52ff.). Darüber hinaus enthalten die AGB der meisten Reiseveranstalter eine Bestimmung, wonach Rechte bei Flugverspätung entfallen, soweit die Fluggesellschaft bereits nach der FluggastrechteVO geschuldete vergleichbare Leistungen erbringt.
Ein Erstattungsanspruch hinsichtlich des Pauschalreisepreises steht den Fluggästen also nur zu, solange sie die pauschale Flugentschädigung nach Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO nicht von der Airline einfordern. Dies hat inzwischen auch der EuGH mit Urteil vom 10.07.2019 bestätigt (C-163/18).
Minderungsrecht oder pauschale Flugentschädigung?
Damit ist das Minderungsrecht für Pauschalreisende nur in zwei Konstellationen interessant. Einerseits kann es sich dort lohnen, wo die Rückerstattung ausnahmsweise höher liegt als die nach der FluggastrechteVO vorgesehene Fluggastentschädigung. Das ist der Fall, wenn
- die Pauschalreise eher aus dem höherpreisigen Segment stammt (Kosten von über 200 € pro Person und Urlaubstag),
- das Reiseziel mit einem Kurzstreckenflug erreicht wird (also nur 250 € Flugentschädigung vorgesehen sind) &
- die Flugverspätung besonders erheblich ausfällt (also mehr als einen Tag beträgt).
Ansonsten hilft das Minderungsrecht dort, wo die Flugunregelmäßigkeit auf einem außereuropäischen Flug auftritt und keine Flugentschädigung nach der FluggastrechteVO in Betracht kommt.
Denkbar ist dies auch beim Reiseantritt aus Deutschland, wenn der Zubringerflug aus der EU in ein Drittland zwar noch planmäßig verläuft, auf der weiteren Verbindung von dort ans Endziel aber eine Flugverspätung auftritt. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn ein Pauschalreisender pünktlich aus Berlin nach Dubai gelangt, dort aber sein Anschlussflug auf die Seychellen eine erhebliche Verzögerung erleidet. Auf eine solche Flugverspätung findet zwar die Fluggastrechte VO keine Anwendung, dafür besteht aber ein Minderungsrecht gegenüber dem Reiseveranstalter.
Erstattungsanspruch bei Gepäckverlust
Wie Art. 12 FluggastrechteVO klarstellt, ersetzt die Ausgleichspauschale keineswegs weiterführende Schadensersatzansprüche. Hier droht auch nicht überall eine Anrechnung der Entschädigungspauschale, weil diese nur Ansprüche abgelten kann, die die bloße Unannehmlichkeit des Zeitverlusts kompensieren sollen. So bestätigt es die einschlägige Fachliteratur (siehe etwa Steinrötter, in: Beck-OGK, Stand: 01.03.2019, Art. 12 FluggastrechteVO, Rn. 36).
Mithin kann ein Fluggast für Gepäckschäden gesondert Gepäckersatz bzw. die Erstattung von Nachkäufen verlangen. Aufgrund des Beförderungsvertrages eines Fluggastes mit seiner Airline ergibt sich als Anspruchsgrundlage bereits § 280 Abs. 1 S. 1 BGB. Hiernach kennzeichnet sich der Verlust oder die Beschädigung von Gepäck als Pflichtverletzung der Fluggesellschaft. Damit erfüllt der Vorfall bereits eine wesentliche Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch.
Zwar verlangt § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zusätzlich noch, dass die Airline die Pflichtverletzung auch zu vertreten hat. Dies wird allerdings bereits von Gesetzes wegen vermutet, solange der Fluggesellschaft kein Gegenbeweis gelingt.
Günstig wirkt sich für Reisende bei Gepäckverlust zudem aus, dass die Rechtsprechung fast immer annimmt, dass ein Gepäckverlust grob fahrlässig ist und die Airline insofern dafür haftet (siehe etwa OLG Köln, Urteil v. 15.5.2005, 22 U 145/04). Dies deckt sich mit den Vorgaben des Montrealer Übereinkommens, das in Art. 17 Abs. 2, 3 MÜ den Schadensersatzanspruch für Beschädigung oder Verlust von Gepäck von der Voraussetzung der Fahrlässigkeit entkoppelt.
Gleichzeitig präzisiert das Montrealer Übereinkommen, dass es dem Verlust eines Gepäckstücks gleichsteht, wenn es auch 21 Tage nach dem planmäßigen Ankunftsdatum nicht eingetroffen ist, Art. 17 Abs. 3 MÜ. Hier kann der Passagier Schadensersatz im Gegenwert des Koffers und des Inhalts geltend machen.
Erstattungsanspruch bei Gepäckverspätung
Ebenfalls als Pflichtverletzung gilt die bloße verspätete Auslieferung von Gepäck. Führt diese dazu, dass Kleidung, Verpflegung oder technische Geräte gekauft werden müssen, handelt es sich auch hierbei um einen ersatzfähigen Schaden (Art. 19 S. 1 MÜ).
Relevant ist dieser Ausgleichsanspruch vor allem dort, wo sich die Hinreise an einen fremden Ort verzögert. Denn hier kann der Flugreisende anders als zuhause nicht auf vorhandenen Ersatz zurückgreifen. Gerade wenn sich Gepäck beim Flug in den Urlaub verspätet, ist der Betroffene in aller Regel darauf angewiesen, sich vor Ort neue Kleidung zu kaufen, um die Zeit bis zum Eintreffen des Gepäcks zu überbrücken.
Die Kosten hierfür kann der Fluggast ersetzt verlangen. Gleichwohl formuliert Art. 22 Abs. 2 MÜ als Obergrenze für den Schadensersatz wegen Gepäckverlust oder -verspätung pro Person den Betrag von 1.131 so genannten Sonderziehungsrechten (SZR). Darunter versteht man eine international anerkannte Vergleichsgröße von Geldeinheiten. 1.131 SZR entsprechen ca. 1.300 €. Bis zu diesem Betrag verfügen Fluggäste über Ersatzansprüche wegen verlorenen, beschädigten oder verspäteten Gepäckstücken.
Erforderliche Nachweise
In der Praxis erfordert die Durchsetzung dieses Anspruchs natürlich zudem den Nachweis des Schadens. Unerlässlich ist zunächst die Aufbewahrung des Gepäckaufklebers, der eine Zuordnung des aufgegebenen Gepäcks ermöglicht.
Weiterhin hat der Betroffene verspätetes oder verlorenes Gepäck binnen 21 Tagen seiner Airline zu melden. Möglich ist dies beispielsweise schon am Flughafen; hier erhalten Passagiere am Lost & Found Schalter ein so genanntes PIR-Formular, in dem sie Angaben zu ihren Gepäckproblemen machen können. Für die weitere Durchsetzung von Ansprüchen auf Gepäckentschädigung sollte zudem von der Schadensmeldung eine Kopie aufbewahrt werden.
Ebenso ist bei der Rechtsverfolgung glaubhaft zu machen, welchen Inhalt ein Gepäckstück hatte und welche Kosten tatsächlich für den Kauf von Ersatz entstanden. Rechnungen für den Neukauf sollten also ebenso aufgehoben werden wie Fotos vom Inhalt des Koffers bei Reisebeginn. Fehlen solche, genügt ersatzweise teilweise auch der Beleg von Rahmendaten der Reise, die auf einen gewissen Gepäckinhalt schließen lassen. Wer anhand der Buchungsdaten darlegen kann, dass er in einen mehrwöchigen Urlaub reiste, kann damit bereits plausibilisieren, dass er Kleidung im Koffer mitführte.
Maximale Höhe
Auch weitergehende Schadensersatzansprüche wegen Verspätung kommen gegen die Fluggesellschaft in Betracht. Anzurechnen ist hierauf nach Auffassung einiger Fachautoren nach Art. 12 Abs. 1 FlugastrechteVO die pauschale Flugentschädigung von bis zu 600 €.
Verpasst ein Passagier infolge der Flugverspätung jedoch wichtige Termine, ist das aber womöglich vernachlässigbar. Denn gemäß Art. 19, 22 Abs. 1 MÜ hat ein einzelner Fluggast Anspruch auf bis zu 5.600 €, wenn er wegen der Flugverspätung einen entsprechend hohen quantifizierbaren Schaden erleidet. Bei mehreren Reisenden multipliziert sich diese Summe um ihre Anzahl.
Erstattungsfähige Schäden
Immaterielle Schäden sind hierbei nach deutschem Recht grundsätzlich nicht erstattungsfähig (§ 253 Abs. 1 BGB). Ernsthaft in Betracht kommt ein entsprechender Schadensersatzanspruch also nur, wenn dem Passagier Gewinn entgeht.
Der häufigste Anwendungsfall betrifft die Verzögerung des Rückflugs auf den Folgetag, die das Erscheinen des Fluggastes am Arbeitsplatz verhindert. Erstattungsfähig ist hier der entsprechende Verdienstausfall. Gerade für Gutverdiener lohnt es sich bei Flugverspätungen auf der Kurz- oder Mittelstrecke, hier Ansprüche geltend zu machen.
Dasselbe gilt für Passagiere, die am Zielort eine vergütete Veranstaltung abhalten, zum Beispiel ein Seminar, eine Lesung oder ein Konzert. Muss der Termin abgesagt werden und entfällt darum das Honorar, hat der Betroffene einen Anspruch auf Schadensersatz. Sowohl § 19 MÜ als auch das allgemeine deutsche Schuldrecht (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB) setzen jedoch zusätzlich voraus, dass die Flugverspätung eine beherrschbare Ursache hatte.
Außergewöhnliche Umstände wie höhere Gewalt, deren Folgen sich nicht mit zumutbaren Mitteln beseitigen lassen, entlasten auch hier die Fluggesellschaft (so etwa AG Königs Wusterhausen, Urteil v. 2.2.2017, 4 C 1350/16 = NJW-RR 2017, 826). Flugverspätungen wegen technischer Defekte oder organisatorischer Probleme hingegen verhelfen umgekehrt regelmäßig zu einem Schadensersatzanspruch.
Entsteht einem Reisenden also aufgrund einer von der Airline zu vertretenden Flugunregelmäßigkeit ein konkret quantifizierbarer Schaden, kann er anstelle der Entschädigungspauschale diesen ausgeglichen verlangen.
Zudem besteht eine Chance, beide konkurrierenden Ansprüche durchzusetzen. Dies ist dann denkbar, wenn die Airline eine Verrechnung unterlässt. Zwar machen die meisten Fluggesellschaften von ihrer diesbezüglichen Möglichkeit Gebrauch; vereinzelt verzichten Airlines jedoch bewusst oder vergessen, sich auf ihr Recht zur Anrechnung zu berufen. Nach herrschender Auffassung von Rechtsprechung und Schrifttum ist dies aber zwingend erforderlich (Maruhn, in: BeckOK-FluggastrechteVO, 10. Edition 2019, Art. 12, Rn. 30ff.).
Um zu verdeutlichen, wie sich die Einzelansprüche aufsummieren können, beleuchten wir im Folgenden die Rechte bei Flugverspätung sowie deren Durchsetzung anhand eines Beispielfalls.
Sachverhalt
Die vierköpfige Familie C aus Lindau am Bodensee bucht für 4.200 € eine vierzehntägige Pauschalreise auf die Kanaren. Geplant ist die Anreise mit einem Flug von Friedrichshafen über Frankfurt nach Teneriffa. Auf den Flug von Frankfurt nach Teneriffa entfiel ein anteiliger Reisepreis von 400 €.
Wegen eines technischen Defekts der Maschine verspätet sich der Zubringerflug nach Frankfurt um anderthalb Stunden. Infolgedessen verpassen die Reisenden ihren Anschlussflug.
Die Fluggesellschaft bietet ihnen lediglich an, sie auf eine Verbindung am nächsten Tag umzubuchen. Da ihnen das zu lange dauert, buchen sie kurzerhand eigenständig eine Ersatzbeförderung mit einer anderen Airline. Diese bringt sie mit achtstündiger Verspätung an ihr Ziel.
Noch unpünktlicher erreicht Familie Cs Gepäck die Ferieninsel. Dieses wurde nicht in die Maschine des Folgefluges geladen, sondern blieb in Frankfurt. Erst zwei Tage später gelangen die Koffer der Familie C nach Teneriffa. In der Zwischenzeit kaufte die Familie Kleidung und sonstige fehlende Utensilien für 500 €.
Rechte bei Flugverspätung im geschilderten Fall
Da der Flug in der EU startete und landete, findet die FluggastrechteVO Anwendung. Sie gewährt im vorliegenden Fall Rechte auf Verpflegung, Flugentschädigung und Erstattung des Ticketpreises (3.2.1, 3.2.2, 3.2.4). Ergänzt werden die Ansprüche hierauf durch Fluggastrechte hinsichtlich der anteiligen Erstattung des Pauschalreisepreises.
1. Verpflegung
Familie C steht zunächst für die zusätzliche Dauer ihrer Reise ein Anspruch auf kostenlose Verpflegung zu. Da zunächst die Airline hierfür verantwortlich ist, sollten bei einem Vertreter Sachleistungen oder Voucher erfragt werden; notfalls ist hierfür auch die Hotline zuständig.
Lehnt die Fluggesellschaft die Anfrage ab, dürfen Fluggäste auch eigenständig Essen und Getränke am Flughafen erwerben. Anschließend können sie die Kosten der Airline in Rechnung stellen.
2. Flugentschädigung
In Betracht kommt weitergehend eine Entschädigungspauschale nach Art. 7 FluggastrechteVO. Schließlich kam es zu einer Flugverspätung von deutlich über drei Stunden. Auch ging sie auf eine betriebliche Ursache zurück und keinen Grund wie höhere Gewalt, der die Airline entlasten könnte. Pro Person stehen Familie C also 400 € Flugentschädigung zu, insgesamt also 1.600 €.
Auf den ersten Blick könnte man sich fragen, wieso es nicht sogar 600 € pro Kopf sind. Immerhin beträgt die Flugdistanz bis auf die Kanaren doch über 3.500 km, sodass es sich um einen Langstreckenflug handelt. Dies vergisst jedoch, dass die Kanaren als spanische Inselgruppe zum Gebiet der EU zählen und auf innereuropäischen Langstreckenflügen nur 400 € als Entschädigungspauschale vorgesehen sind.
3. Anspruch auf Teilerstattung des Pauschalreisepreises
Da die Flugverspätung sogar über fünf Stunden hinausging, besteht ferner ein anteiliger Rückerstattungsanspruch hinsichtlich des Pauschalreisepreises. Dessen Tagessatz betrug 300 €; hiervon müsste der Reiseveranstalter immerhin 15 % zurückzahlen.
Gleichwohl sehen die AGB der Reiseveranstalter meist vor, dass der zu erstattende Betrag schon mit der Entschädigungspauschale nach FluggastrechteVO abgegolten ist.
4. Anspruch auf Erstattung des Ticketpreises
Immerhin hat Familie C. wegen der über fünfstündigen Verspätung einen Anspruch auf Erstattung des Ticketpreises für den Weiterflug aus Frankfurt (400 €). Somit kann die Reisegruppe immerhin die Kosten kompensieren, die ihr durch die eigenständige Umbuchung entstehen.
Denkbar ist zudem, dass die Kosten für den Weiterflug auf einer anderen Maschine niedriger ausfallen als der ursprüngliche Beförderungspreis. Dazu kann sich ein Reisender sogar bei ausgebuchten Flügen auf die Warteliste setzen lassen, um bei Nichterscheinen ursprünglich eingeplanter Mitreisender mitzufliegen. Gelingt eine frühere Beförderung auf diesem Wege nicht, bleibt immer noch die Möglichkeit, den späteren Alternativflug zu nehmen, den die Airline selbst anbietet.
Vorliegend hätte dieser am nächsten Tag stattgefunden; hier wäre es Familie C zusätzlich möglich gewesen, die Unterbringung in einem Hotel von der Fluggesellschaft zu verlangen.
5. Anspruch auf Gepäckentschädigung
Und noch ein weiterer Anspruch fällt Familie C zu. Sie kann auch die Kosten ersetzt verlangen, die ihr durch den Nachkauf von Inhalten ihres verspäteten Gepäcks entstanden. Hier beläuft sich der Betrag auf 500 €.
Insgesamt hat Familie C also Anspruch auf Verpflegung sowie eine Entschädigung von 2.500 €. Das zeigt, wie sehr es sich für Passagiere lohne kann, ihre Rechte bei Flugverspätung komplett auszuschöpfen.
Anteilige Erstattung des Ticketpreises bei Flugstornierung
Mit Urteil vom 23.07.2020, 16 U 99/20 bestätigte etwa das Oberlandesgericht Düsseldorf, dass eine Fluggesellschaft immerhin Gebühren und Steuern erstatten muss, die eingespart werden, wenn der Reisende seinen Flug storniert oder einfach nicht mitfliegt. Ganz gleich also, warum Sie Ihren Flug nicht angetreten haben: Sie können zumindest die anteilige Erstattung des gezahlten Flugpreises verlangen. Dies gilt übrigens auch dann, wenn ein Standardtarif wie bei Eurowings oder Lufthansa keine reguläre Erstattungsmöglichkeit vorsieht. Ebenso besteht ein solcher Erstattungsanspruch oft selbst dort, wo AGB von Airlines wie Ryanair oder easyJet eine Teilerstattung bei Stornierung eines Fluges durch Kunden weitgehend ausschließen. Solche Vertragsbedingungen sind nämlich zumindest nach deutschem Recht regelmäßig unwirksam (siehe etwa LG Frankfurt am Main, Urteil vom 03.07.2020, 2-24 O 100/19).
In der jüngeren Vergangenheit sorgten in diesem Zusammenhang Ersatz-Pilot und die Fluggastportal RightNow GmbH mit ihren Fluggastportalen für Aufsehen. Die Legal Tech-Unternehmen kümmern sich um die Durchsetzung von Erstattungsansprüchen und ersparen Kunden dabei das Kostenrisiko. Über ihre Webseiten können Nutzer relativ bequem online eine Direktzahlung für ihre Erstattungsforderungen beantragen.
Da die eigenständige Verfolgung solcher Ansprüche mühselig erscheint und nur teilweise zum Erfolg führt, stellt sich die Frage, ob die Beauftragung von Ersatz-Pilot oder RightNow / Geld-für-Flug die bessere Wahl ist. Wir haben deshalb die Ticketerstattungsdienste der Unternehmen für Sie getestet — hier geht es zu den Berichten über Ersatz-Pilot und die Erfahrung mit Geld-für-Flug.
Wissen kompakt
Nützliche Fakten und häufig gestellte Fragen in kompakter Form. 5
# 1
Bei Flugverspätung können einem Passagier unter anderem diese Rechte zustehen:
- pauschale Flugentschädigung von 250-600 € pro Fluggast
- Verpflegung während der Dauer der Verzögerung
- kostenlose Kommunikationsmöglichkeiten (z.B. Telefonate)
- Unterbringung im Hotel bis zur Durchführung des Fluges (inkl. Flughafentransfer)
- Erstattung des Ticketpreises
- anteilige Rückerstattung des Preises einer Pauschalreise
- Schadensersatz für verlorenes oder verspätetes Gepäck bis zu ~1.300 €
- Schadensersatz für entgangenen Gewinn bis zu ~5.600 €
# 2
Wenn ein Flug mindestens drei Stunden verspätet ist, haben Passagiere Aussicht auf eine pauschale Entschädigung:
- bei Kurzstreckenflügen (bis 1500km Flugdistanz) in Höhe von 250€ pro Person
- bei Mittelstreckenflügen (bis 3500km Flugdistanz) in Höhe von 400€ pro Person
- bei Langstreckenflügen (Flugdistanz über 3500km) in Höhe von 300-600€ pro Person
# 3
Die Kosten für die Durchsetzung von Flugentschädigung variieren bei Flightright und Alternativen von Fall zu Fall und Anbieter zu Anbieter. Bei Flightright fallen meistens inkl. Mwst. Gebühren von 33,32-49,98% der durchzusetzenden Forderung an. Bei Konkurrenten beträgt die Provision teilweise weniger als 30%. Ein Vergleich der Kosten für einen konkreten Fall ermöglicht unser Entschädigungsrechner.
# 4
Wer wegen Flugverspätung oder Annullierung eines Fluges nach FluggastrechteVO eine Entschädigung verlangen kann, dem stehen 250-600€ in Geldleistungen zu. Anspruch hierauf hat jeder einzelne betroffene Fluggast. Die genaue Höhe richtet sich nach der Fluglänge. Bei Kurzstreckenflügen beträgt die Ausgleichszahlung pro Kopf 250€, bei Langstreckenflügen 600€.
# 5
Wenn Sie anhand unseres Checks zum Ergebnis kommen, dass Ihnen wegen einer Flugverspätung das Recht auf Entschädigung zusteht, können Sie Ihren Anspruch mit einem entsprechenden Formular verfolgen. Gute Word-Muster für Aufforderungsschreiben an die Fluggesellschaften finden Sie beispielsweise auf der Webseite der Agentur für Passagier und Fahrgastrechte. Scheitert ein eigenständiger Versuch der Durchsetzung, erfahren Sie in den Testberichten von Qamqam, zu welchen Konditionen Ihnen verschiedene Fluggastportale bei der Verfolgung ihrer Fluggastrechte helfen.
Es schreibt für Sie: RA Dr. jur. Philipp P. Roeckl
Der Beitrag wurde von Rechtsanwalt Dr. jur. Philipp P. Roeckl verfasst und zuletzt am 12.07.2024 aktualisiert. Dr. Roeckl unterstützt das Vergleichsportal Qamqam als Gastautor mit Beiträgen wie dem hiesigen, die verschiedene Rechtsfragen thematisieren.